Elsternest

Zum Tod von Ernesto Cardenal

Ernesto Cardenal Bildquelle Wikipedia CC BY-SA 3.0
Bildquelle Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 3.0 Fotograf: Dontworry

 

Der nicaraguanische Dichter und Priester Ernesto Cardenal starb am 1. März 2020 in Managua im Alter von 95 Jahren an Nieren- und Herzschäden. Als Theologe war er einer der prominentesten Vertreter der Befreiungstheologie. Sein politisches Engagement veranlasste ihn, den bewaffneten Kampf gegen die Somoza-Diktatur zu unterstützen. Als Dichter war er hoch geehrt, er bekam unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1980).

Gott
braucht den Menschen nicht,
um glücklich zu sein,
und doch liebt er ihn so,
als ob er ohne ihn
ewig unglücklich wäre.

Ernesto Cardenal

Ernesto Cardinal wurde am 20. Januar 1925 in Granada (Nicaragua) geboren. Er war Erbe einer starken poetischen Tradition. Von 1942 bis 1946 studierte er Philosophie und Literaturwissenschaft an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko, anschließend bis 1949 an der Columbia University in New York. Ende der 1950er Jahre schloss er ein Theologie-Studium in Mexiko und Kolumbien an. 1965 wurde er zum Priester geweiht und ließ sich später im Solentiname-Archipel am Großen See von Nicaragua nieder, wo er eine Gemeinschaft von Fischern und Künstlern gründete, die weltberühmt wurde. Dort schrieb er sein berühmtes Evangelium von Solentiname.

Ernesto Cardinal stand immer auf der Seite der Unterdrückten

Sein politisches Engagement veranlasste ihn, den bewaffneten Kampf gegen die Somoza-Diktatur zu unterstützen. Eine Dynastie, die Nicaragua mehr als 40 Jahre lang regierte. Er wurde zum Kulturminister der neuen sandinistischen Regierung ernannt. Ernesto Cardinal setzte sich für eine „Revolution ohne Rache“ ein und initiierte eine umfassende Alphabetisierungskampagne für die fast 70 % Analphabeten des Landes. Sein Engagement für die Ärmsten und gegen Ungerechtigkeiten machte ihn zur moralischen Stimme der sandinistischen Revolution, ein Projekt, bei dem er sich tief engagierte und ihm einen Verweis von Papst Johannes Paul II. einbrachte, der ihm die Ausübung seiner Priesterämter verbat. Bis 1987 hatte Ernesto Cardenal das Amt des Kulturministers inne. Dann wurde das Ministerium – angeblich aus Kostengründen – aufgelöst.

Seine ehemaligen Weggefährten klagt er an

Der Dichter hat sein eigenes Martyrium seit 2007 gelebt, als Daniel Ortega in Nicaragua an die Macht zurückkehrte. Seitdem wurde er von der Justiz verfolgt und vom sandinistischen Führer kontrolliert. „Ortega und seine Frau Rosario Murillo haben eine absolute, unendliche Macht, die keine Grenzen kennt, und diese Macht ist jetzt gegen mich “, sagte Cardenal 2017 in einem Interview. Trotz dieser Verfolgung hat Kardinal seine unermüdliche Aktivitäten aufrecht erhalten. Er gab Konzerte in Europa und Lateinamerika und prangerte die Exzesse von Ortega an.

Gegenüber der katholischen Kirche hingegen zeigte er sich zuletzt milde. Vor allem das bescheidene Auftreten von Papst Franziskus gefiel ihm. „Das ist eine große Veränderung im Vatikan, die niemand vorhersehen konnte“, sagte Ernesto Cardenal. Franziskus versuche, die Welt zu einem besseren Ort für die Armen und Vergessenen zu machen. Zuletzt rehabilitierte das katholische Kirchenoberhaupt den einst verfemten linken Priester. Anfang Februar 2019 hob Franziskus die Sanktionen gegen ihn auf.

Zerschneide den Stacheldraht

Seine Psalmen wurden das Gebetbuch der Unterdrückten. Sie ermutigten das politische Bewusstsein der Christen, stärkten die Freiheitskämpfer. Unter dem Titel Zerschneide den Stacheldraht brachte der Peter Hammer Verlag diese Gedichte 1967 in deutsche Übersetzung heraus. Das in wenigen Jahren in siebzehn Sprachen übersetzte Bändchen wurde in den frühen 70er Jahren die auflagenstärkste deutsche Lyrikpublikation. Dennoch sperrten sich damals namhafte deutsche Tages- und Wochenzeitungen gegen die Rezension dieser Psalmen in ihrem Feuilleton. Autor, Aussage und Gattung waren nicht „in“. Die Texte entsprachen weder der linken noch der rechten noch einer linksliberalen Ästhetik. Cardenal war für keine Seite unmittelbar affirmativ zu gebrauchen.

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