Elsternest

P wie Paul Simon – Graceland, Teil 8 der Top 10

Paul Simon. Lange war sein Name mit dem seines Partners Art Garfunkel verbunden. Doch nach der Trennung veröffentlichte Paul Simon Alben, die Meilensteine des Songwritings sind. Schon auf seinem ersten Soloalbum experimentierte er mit verschiedenen Musikstilen, darunter Latin Music, Jazz, Blues und Reggae. Und dann kam 1986 Graceland auf meinen Plattenteller und Paul Simon drückte aus, was ich in Afrika selber empfunden hatte. Er verband die Rhythmen Afrikas mit dem Songwriting der USA. Ich war und bin restlos begeistert von dieser Platte. Kaum jemand, der diesen Sound gehört hat, kriegt ihn wieder aus dem Kopf.

Mit dem Song, The Boy In The Bubble eröffnet Paul Simon sein Album Graceland.

It was a slow day, and the sun was beating on the soldiers by the side of the road

so beginnt der Song.

Zögernd und verweht pumpt das Akkordeon. Lässt sich gerade so viel Zeit, dass man verwirrt aufhorcht. Und dann rattert der Zug los, mit brachialem Beat und einem schnarrenden Fretless Bass
Der Anfang des Albums spiegelt seine Entstehung. Paul Simon erlag dem Zauber einer südafrikanischen Audiokassette, Accordion Jive Hits, eine Kassette mit Akkordeonmusik. Keine Frage, er musste dahin, wo dieser „Township Jive“ gemacht wurde, ins Land der Apartheid.

Graceland war der musikalischen Befreiungsschlag für Paul Simon

Für Paul Simon, der in einer kreativen und persönlichen Krise steckte, erwies sich das Projekt als künstlerischer Befreiungsschlag. Als ich die Platte zum ersten Mal hörte fragte ich mich: Wie schafft es Paul Simon seine vertrackt poetische Songkunst eines New Yorker Intellektuellen mit den pulsierenden Sounds und den Stimmen aus dem Unrechtsstaat am Kap zu verbinden? Indem er ebensolche herausragende Musiker aufsuchte, wie er selber einer war. Er tat sich mit denen zusammen, die diesen südafrikanischen Sound perfekt beherrschten: Mit Bakithi Kumalo und seinem magischen Bass, mit , Ray Phiri und seine klingelnden Gitarrenriffs und mit dem Chor Ladysmith Black Mambazo. Heute würde er damit einen Shitstorm auslösen, man würde ihm kulturelle Aneignung vorwerfen. Aber er tat, was Künstler immer schon getan haben: er bediente sich an den Melodien, die in Südafrika schon lange existierten und hey, wem gehören Noten, Melodien?

Keine Weltmusik ohne „kulturelle Aneignung“

Es gäbe heute keinen modernen Jazz ohne diese „Aneignung“, schon gar keine Weltmusik. Paul Simons Album drehte sich auf meinem Plattenteller und brachte mir Afrika zurück ins Herz, als der Begriff Weltmusik noch gar nicht en voge war. Für mich ist die heute geführte Diskussion über kulturelle Aneignung absurd und bringt Früchte hervor, die sich in ihrer Lächerlichkeit kaum überbieten lassen, wie sie sich an der Debatte um die Übersetzung von Amanda Gordons Gedicht gezeigt hat.

Schon damal kamen politschen Aktivisten vor allem mit Anschuldigungen um die Ecke

Paul Simon scherte sich nicht um die Anfeindungen der damaligen politischen Aktivisten, die ihn wütend attackierten. Ihm wurde vorgeworfen, er habe den UNO-Kulturboykott Südafrikas unterlaufen und beute die schwarzen Musiker im kolonialen Stil aus. Für Paul Simon kam das Gewitter aus heiterem Himmel. Seine Berater Harry Belafonte und der Exil-Südafrikaner Hugh Masekela hatten ihn doch ermuntert, seine Pläne zu realisieren. Tatsächlich hatte jeder Musiker einen Stundenlohn von 196,41 $ erhalten, die beste Studiobezahlung in den USA. Spieler, die zu den Songs entscheidende Beiträge geleistet hatten, nahm er ins Copyright auf.

Das Positive überwiegt in diesem kulturübergreifenden Projekt

Er scherte sich einen Dreck um die politische Korrektheit der damaligen Zeit und schuf zusammen mit seinen afrikanischen Musikerkollegen einen Meilenstein der Singer Songwriter Kunst. Und Fakt ist auch: Graceland diente der südafrikanischen Musik und ihren Protagonisten als Podium. Die Absurdität der Rassentrennung wurde kaum je überzeugender bewiesen, als in diesem Album, das effektiv Welten zusammenführte. Und damit die Welt bewegte.

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