Elsternest

Katharina Nocun auf ihrer Datenspur

Katharina Nocun: Amazon, ein besonders datenhungriges Unternehmen
Amazon, ein besonders datenhungriges Unternehmen

 

Die Autorin Katharina Nocun referierte am 28. März 2019 in der StaBi Stuttgart auf Einladung des Chaos-Computer-Clubs über „Datenspuren“. Jeder Internetnutzer hinterlässt Spuren, sobald er Leistungen in Anspruch nimmt. Die Idee zu ihrem Buch kam ihr bei einem Saunabesuch. Dort wurde sie darauf hingewiesen, dass die Umkleidekabinen Videoüberwacht sind. Das war für sie ein Schlüsselerlebnis.

Für die Recherche zu ihrem Buch, Die Daten, die ich rief, forderte Katharina Nocun ihre Daten bei zahlreichen Unternehmen an und ließ diese auswerten. Dabei erfuhr sie mehr über sich selbst, als ihr lieb war. Im Vortrag zeigt sie, wie Banken, Firmen und Behörden Algorithmen nutzen, um unsere Zukunft vorherzusagen und wie Geheimdienste darum wetteifern, wer uns am effektivsten überwacht und durchleuchtet. Weiter…

Wo hinterlässt man überall einen „Datenschatten?“

Die Aktivistin und Autorin ist ihrem eigenen „Datenschatten“ gefolgt, jener Datenspur, die sie oft unbewusst hinterlassen hat.

Sie legte sich eine Bonuskarte im Edeka-Supermarkt („Deutschlandcard“) zu. Nach einigen Benutzungen forderte sie alle Daten an und siehe da, Edeka wusste über jedes Produkt Bescheid, das sie gekauft hatte und wann sie es gekauft hatte. Damit ist personalisierte Werbung möglich. In Amerika ist das schon seit Jahren gang und gäbe: Ein Kunde beschwerte sich bei der Supermarktkette „Target“, dass seine 14jährige Tochter Werbung für Schwangerschaftsprodukte bekam. Anhand des Kaufverhaltens seiner Tochter hatte das Unternehmen auf eine Schwangerschaft bei dem Mädchen geschlossen. (z. B. kaufte sie plötzlich unparfümierte Dsuchgels, die sie vorher nie gekauft hatte etc.). Einige Tage später entschuldigte der Vater bei Target für seinen Anruf. Seine Tochter hatte ihm die Schwangerschaft „gestanden“.

Der Internetriese Amazon wertet jeden Klick auf seinem Portal aus. So erfuhr Katharina Nocun durch ihre Datenabfrage bei Amazon, an welchen Tagen sie besonders kauflaunig ist, an welchen Tagen sie nur Produkte und Preise vergleicht. Prompt wurden ihr an ihren „Kauftagen“ noch besondere Rabatte anboten. Sie musste allerdings einen langen Atem haben, bis Amazon diese detaillierten Daten an sie übergab.

Behörden sind auch keine „Datenverächter“

Sie fragte auch bei Behörden nach. Unzählige Briefe verschickte sie an Meldeämter, Polizeistellen und so weiter. Sie nutze dazu das Portal „www.datenschmutz.net“. Die stellen für alle Anfragen einen pdf-Generator zur Erstellung von Musterschreiben zur Verfügung. So erfuhr sie, dass das Land Berlin Adressdaten vertickt. Manches hatte Nocun erwartet, anderes hat selbst sie überrascht, wie jener Eintrag in der bundesweit abfragbaren Polizeidatei, Kategorie „Cybercrime“. Hier war sie als Organisatorin von Demos gegen Datenmissbrauch gelistet. „Die größte Gefahr“, sagt Nocun, „besteht darin, dass die Daten aus diesen Silos zusammengefügt werden, verschmolzen zu einem Bild, das ausgeschlachtet werden kann.“

Recht auf Daten Edward Snowden
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Die größte Lüge im Internet

Als größte Lüge im Internet bezeichnet die Autorin den Satz: „Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen“. Selbst wenn man sich die Mühe macht, damit anzufangen, auf Seite 20 bricht man den Versuch ab. Und dazu kommt, dass sich die Datenschutzerklärungen der großen Anbieter immer wieder ändern. Aber wie den Kampf um seine Daten ausfechten?

Früher war Katharina Nocun Geschäftsführerin der Piratenpartei. Jetzt arbeitet sie als Aktivistin und Autorin. Sie setzt in diesem Kampf auf Selbstverteidigung. Sie plädiert für schärfere Gesetzte, die die Datensammelwut einhegen. Und sie ist überzeugt, dass das vereinigte Europa mit seiner Marktmacht in Sachen Datenschutz den „Goldstandard“ erreichen könnte.

Von dem Vortrag wird von der Stadtbibliothek ein Mitschnitt zur Verfügung gestellt, der hier abrufbar ist.

Die Daten, die ich rief: Wie wir unsere Freiheit an Großkonzerne verkaufen
352 Seiten, broschiert
Bastei Lübbe, Preis 18,00 €

Zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

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