Elsternest

1914 – Ein literarischer Blick auf die Städte Europas

1914_literaturhaus

Am 16. Juni lasen A.L. Kennedy und Katrin Seddig im Rahmen der Reihe: August 1914: „Mit dieser Welt muss aufgeräumt werden“. 22 Autoren blicken auf die Städte Europas. Immer zwei AutorenInnen lesen auf Einladung des Netzwerkes der deutschsprachigen Literaturhäuser in diesem Rahmen Texte zum August 2014, bezogen auf ihre Stadt.

Die beiden Autorinnen erforschten, was die Menschen 1914, vor und mit Beginn des Krieges, tatsächlich bewegt hat. Was sie notiert, was sie aufgeschrieben haben und welche Schlagzeilen die lokale Presse bestimmten. Auf die Frage der Moderatorin, Dr. Julika Griem, Professorin am Institut für England und Amerikastudien der Goethe-Universität Frankfurt, warum sie sich entschieden hat, antwortete Katrin Seddig, sie hätte gezögert. Die Recherche sei nicht ihre Sache. Für ihre beiden Romane „Runterkommen“ und „Eheroman“ habe sie nicht recherchiert. Trotzdem hat sie sich der Aufgabe gestellt und umfangreiche Recherchen in den Hamburger Archiven angestellt. Aus all den Zeitungsartikel, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, die sie dabei gesichtet hat, hat sie ein literarisches Destillat gewonnen. Sie legt Wert darauf, dass die Quellen erkennbar bleiben, deshalb hat sie vieles wörtlich zitiert.

A. L. Kennedy hat in ihrem Text Glasgow zum Mittelpunkt gemacht. Sie hat ihn an den einfachen Leuten ausgerichtet, den Jahreswechsel 1913/1914 in den Blick genommen, als noch keiner die drohende Katastrophe erahnte, die acht Monate später über die Menschen in Glasgow kommen sollte. Wobei der Krieg sich ja nicht in Glasgow selber abspielte. Ihre Großmutter erzählte, dass in ihrer Straße alle Männer in den Krieg gezogen sind und eine schmerzhafte Lücke hinterlassen haben. So gut wie keiner ist zurückgekommen und wenn, verstümmelt und verletzt. In England und Wales gibt es 32 „Thankfull Villages“. Dörfer, die vom Krieg verschont geblieben sind, kein männliches Mitglied ist im ersten Weltkrieg gefallen. In Schottland gibt es kein einziges dieser Dörfer. Ein Hinweis darauf, wie sehr die Schotten unter diesem Krieg gelitten haben. A. L. Kennedy hat die kleinen Dinge interessiert, z. B. warum auf einmal als Nachtisch Rhabarber auf den Tisch kam, dieses ungewöhnliche, leicht bittere Gewächs.

Und dann die schottische Folklore, die sich erst im 19. Jahrhundert herausgebildet hat. Die Schottenkaros der einzelnen Regionen wurden auf einmal zu Erkennungszeichen der einzelnen Regimenter. Dudelsackmusik wurde als anfeuernde Marschmusik umgedeutet.

Beiden Autorinnen erfüllten ihre Aufgabe auf ganz unterschiedliche Weise und doch sind zwei Texte entstanden, die die Situation vor Ausbruch des 1. Weltkrieges in Glasgow und in Hamburg in sprachlich dichter Weise dem Hörer vor Augen führen.

Die Texte aller Autorinnen und Autoren wurden vom Netzwerk der Literaturhäuser zusammen gestellt. Erschienen sind sie in der Zeitschrift „Die Horen“, Wallstein Verlag, herausgegeben von Jürgen Krätzer.

 

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