Elsternest

Saša Stanišić outet sich als Hochstapler beim gleichnamigen Literaturfestival (1)

Dr. Stefanie Stegmann (re.) eröffnet mit Kathrin Hartmann das Festival und begrüßen Saša Stanišić (Mitte) und Lothar Müller (li.)
Dr. Stefanie Stegmann (re.) eröffnet mit Kathrin Hartmann das Festival und begrüßen Saša Stanišić (Mitte) und Lothar Müller (li.)

 

Mit der Lesung des Autors Saša Stanišić aus seinem neuen Erzählband Fallensteller, eröffnete das dreitägige Literaturfestival Hochstapeln im Literaturhaus Stuttgart. Vom 22. – 25. September präsentierte das Literaturhaus unter der Leitung von Dr. Stefanie Stegmann ein Programm, das Inszenierung und Täuschung zum Gegenstand hatte. Stefanie Stegmann führte am 21. September in das Festival ein und begrüßte ihren ersten Gast Saša Stanišić, der, wie er im Gespräch mit dem Literaturkritiker Lothar Müller erläuterte, sich durchaus in seiner Rolle als Schriftsteller als Hochstapler begreift. Schreiben sei für ihn eine Form der Hochstapelei. In seiner Familie sei der Typ des Hochstaplers verbreitet. So habe z. B. sein Vater seiner Mutter weisgemacht, er könne Gitarre spielen, was dieser sehr imponiert habe, obwohl es glatt gelogen war. Obwohl diese Behauptung schnell überprüft werden kann, ist es in der Familie nie dazu gekommen. Auch litt der Vater von Geburt unter einem dicken Augenlid. Immer wenn einer ihn gefragt habe, was er denn mit seinem Auge gemacht hätte, antwortete er, er sei vor kurzem von einer Mücke gestochen worden.

Hochstapeln liegt in der Familie von Saša Stanišić

Auch von einem eigenen Hochstaplererlebnis berichtete der aus Bosnien stammende und auf Deutsch publizierende Autor: In Hamburg hätte er sich häufig zum Schreiben ins Universitätskrankenhaus Eppendorf zurückgezogen. Hier hätte er in Ruhe an seinen Texten arbeiten können, unter all den angehenden jungen Ärzten, die dort für ihr Studium gelernt und ihre Hausarbeiten geschrieben haben. Einmal sei er von einer Frau angesprochen worden, ob er ihr eine Diagnose stellen könne. Sie sie übel auf den Steiß gefallen und ob denn Knochenbruch zu befürchten sei. Er redete sich damit heraus, dass er dazu nichts sagen könne, er sei angehender Dermatologe.

Saša Stanišić verdankt vor allem seinen Ruf als Hochstapler dem Titel seines jüngsten Erzählbands Fallensteller. Dabei erschien er im Gespräch mit dem Literaturkritiker Lothar Müller lauter und ernsthaft, wiewohl er mit Geschichten den Lesern den Kopf verdreht. Den Schauplatz seiner titelgebenden Erzählung, das uckermärkische Dorf Fürstenfelde, verwandelt er in ein Freilichtmuseum seiner Erfindungen, in dem Lüge und Wahrheit enge Nachbarschaft pflegen.

Saša Stanišić ist ein begnadeter Vorleser

Saša Stanišić haucht seinen Texten Leben ein
Saša Stanišić haucht seinen Texten Leben ein

An diesem Abend erweist sich der Autor ein weiteres Mal als begnadeter Vorleser (siehe Bericht seiner Lesung zu Vor dem Fest hier). Er schlüpfte in die Gestalt des Georg Horwart, als er die Kurzgeschichte Georg Horwart ist verstimmt las. Es ist die Geschichte eines nach Brasilien Reisenden, in der auch alltägliche Redewendungen sich als Fallen herausstellen wenn z. B. ein „Meer der Lichter“ zu einem „mehr der Lichter“ beim Landeanflug wird. In Rio angekommen steigt Georg Horwart in ein Taxi, das er als seines ansieht, das ihn aber nicht an den Ort bringt, an den er gelangen will …

Noch einmal zieht Saša Stanišić die narrative Schraube an diesem Abend an, wenn er aus der titelgebenden Erzählung liest in der er in das uckermärkische Dorf Fürstenfelde zurückkehrt, in dem schon sein Roman Vor dem Fest verortet war. In der Erzählung Fallensteller hat er es in ein Freilichtmuseum seiner Erfindungen verwandelt, lässt die realen Vorbilder seines Romans auftreten, die in die Rollen der im Roman geschilderten Personen schlüpfen und Literaturführungen für hippe, anreisende Saša-Stanišić-Fans organisieren. Dabei verwendet er, wie auch in seinem mit dem 2014 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Roman Vor dem Fest unterschiedliche literarische Stimmen: Lada und der stumme Suzi haben unterschiedliche Stimmen, der Fallensteller gar redet wie ein Rapper.

Eine gute Wahl zum Auftakt des Festivals

Mit der Lesung von Saša Stanišić als Auftakt zum Literaturfestival über Inszenierung und Täuschung hat Stefanie Stegmann wieder einmal ihr Talent unter Beweis gestellt, mit herausragenden Autoren und guten Performern die Fallen für die Literatur aufzustellen.

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