Elsternest

Mein Hemd überwacht mich

nsa

Vor kurzem kaufte ich mir Sportkleidung bei Decatlon und wurde zum ersten Mal mit diesem, in der Kleidung angebrachten, RFID-Chip (radio-frequency identification) konfrontiert. Warum machen die das, fragte ich. Angeblich steuern sie damit ihre Logistik. In den Paketen wird mittels RFID-Technologie der Inhalt abgefragt und an den richtigen Empfänger gebracht.

Nun ist bei dem Chip ein Scherenzeichen angebracht. Man kann, soll, es abschneiden. Damit ist die Sache erledigt. Aber es stellt sich doch die Frage, wie werden wir überwacht, welche Methoden gibt es? Der RFID-Chip ist nur eine Form. Dieser befindet sich übrigens mittlerweile in einem Großteil der Ersatzteile der Automobilindustrie, damit sie nach verfolgen können, ob Originalteile ersetzt wurden.

Die Enthüllungen von Edward Snowden zeigen nur die Spitze des Überwachungseisberges. Darunter liegen all die Dinge, die wir tagtäglich mit uns machen lassen oder selber machen. Das Smartphone, das ständig Daten von uns ins Netz stellt. Das erlauben wir ihm! Die internetfähigen Fernsehgeräte, die unsere Sehgewohnheiten übertragen. Der E-Book-Reader, der zurück meldet, welches Buch wir lesen, wie lange wir es gelesen haben und wann wir voraussichtlich mit der Lektüre fertig sind. Grundsätzlich kann gesagt werden: Alle Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, geben etwas von unserer Privatsphäre frei. Weiterhin geben wir immerzu Auskunft über unser Einkaufsverhalten, wenn wir bei den Händlern unsere Kundenkarten oder Payback-Karten über die Scanner an den Kassen ziehen lassen. Ganz zu schweigen von den Bestellungen, die wir im Internet tätigen.

Ein Mensch, der keine Geheimnisse hat, hat keine Grenzen, ist nicht integer, sagt Juli Zeh, die Initiatorin der Petition „Writers Against Mass Surveillance“.

Ich kann ihr nur zustimmen. Warum verhindern wir dann nicht, dass unsere Intimsphäre tausendfach missachtet wird? Dort, wo wir es können? Ich habe diese Petition unterschrieben. Ich nutze kein Smartphone, keinen intelligenten Stromzähler und schneide RFID-Chips ab, sobald ich sie entdecke. Aber ich gebe mich keiner Illusion hin: Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich in der „Datenwolke“, wenn auch nur als Leerstelle, identifiziert bin. Weil die modernen Staatsbürger diese Technologien so lieben und ihnen ein einfaches Einkaufs-„Leben“ vorgegaukelt wird, gibt es gegen die Totalüberwachung keinen massenhaften Aufschrei.

Die 562 international anerkannte Autorinnen und Autoren, die sich zu einer öffentlichen Intervention gegen die Gefahren der systematischen Massenüberwachung zusammengeschlossen haben, sind nur eine verschwindende Minderheit. Exoten, die sich mit guten Büchern beschäftigen. Ihr Protestschreiben wird, so ist zu befürchten, im Rauschen der digitalen Kommunikation unter gehen. Das wird mich allerdings nicht vom eigenen Denken abhalten.

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