Elsternest

Federleichte Worte

Ulrike Schäfer
Ulrike Schäfer, die erste Stipendiatin im Schriftstellerhaus in diesem Jahr

 

Ihre Texte haben eine Dichte und Leichtigkeit, die ihresgleichen suchen. Mit drei Texten stellte sich die neue Stipendiatin Ulrike Schäfer am 27. Januar im Schriftstellerhaus in der Kanalstraße vor. Sie ist die erste, die in diesem Jahr das schmale Haus Nr. 4 bewohnen wird. Astrid Braun stellte Frau Schäfer vor:

Ulrike Schäfer hat nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Informatik als Dozentin an der Universität Würzburg gearbeitet hat. Danach machte sie sich als Softwareberaterin selbstständig und arbeitete für die Industrie in Baden-Württemberg. Vor fünf Jahren wollte sie ihren Traum vom Schreiben, den sie schon als Mädchen hatte, verwirklichen und gab ihren Brotberuf auf. Die Auszeichnungen, die sie mit ihren Texten erlangte, beflügelten ihr Schaffen. Sie veröffentlichte in Zeitschriften und erhielt gleich 2010 den ersten Preis beim Wettbewerb zum Würth-Literaturpreis mit dem Text „Das Haus“.

Ihre Lesung begann sie mit der Kurzgeschichte „Pralinenmann“, der 2013 den Literaturpreis der österreichischen Literaturzeitschrift erostepost gewann. Mit wenigen Sätzen beschreibt sie das Setting, die Personen erscheinen lebendig vor dem Auge des Lesers. Der Ich-Erzähler macht in einem Café die zufällige Bekanntschaft mit dem muffelnden Kordhosenträger Charly, einem rundschädeligen „Brocken Mensch“, in zeltartigem Sakko gekleidet. Aber mit einem Lächeln, rund, offen und blank, das, wenn es aufgeht, entwaffnend und zugleich verwundbar ist. Es bleibt nicht bei der ersten Begegnung, es folgen in kürzeren Abständen Treffen, der Ich-Erzähler verlässt regelmäßig seine Teilzeitstelle an der Uni für einen Café-Besuch. Charly möchte nur reden, Neuigkeiten austauschen und über Dinge reden, die einen besonderen sprachlichen Klang haben wie „Berlusconi“, „Schickedanz“ oder „Suhrkamp“. In seinen Kaffee schüttet er Unmengen Würfelzucker und immer wieder bringt er feine Pralinen mit. Ein Zuckerabhängiger, der schließlich umkippt und in der Notaufnahme landet. Nach einer Woche taucht er wieder auf, eine Tüte Pralinen hat er dabei.

Es ist die längste der drei, an diesem Abend von Ulrike Schäfer gelesenen, Geschichten. Die zweite, mit dem Titel „Das Haus“, erzählt von einer bedrohlichen Situation und zieht den Zuhörer immer weiter hinein in die Welt der alten Hella, die ihr Haus in den Bergen verkaufen will. Sie lebt allein, ihr Sohn weilt in Übersee, nur schwer per Telefon zu erreichen, um ihr Ratschläge zur Erzielung eines guten Preises zu erteilen. Gleich im ersten Abschnitt erfahren wir, dass die Frau nicht lebend aus der Geschichte herauskommt. Aber trotz des vorweggenommen Endes, schraubt die Autorin die Spannung höher und höher. Ulrike Schäfer spielt geschickt mit Einbildung, Wahn und Realität, zitiert Märchenbilder, so dass beim Zuhörer der Eindruck entsteht, sich in einem bösen Märchen zu befinden. In der Diskussion wurde deutlich, wie sehr der Verkauf eines lang bewohnten Hauses auf der psychologischen Ebene wirkt; bei dem Verkäufer, der Lebenserinnerungen mit dem Haus verknüpft hat aber auch bei dem Käufer, der seine Zukunftsträume an das Objekt binden will.

Im dritten Text, „Die Art, wie meine Mutter liebte“, lässt uns Ulrike Schäfer teilhaben, wie ihr Vater ihre Mutter kennen gelernt hat. Auch in dieser Ich-Erzählung lässt sie den Zuhörer glauben, sie spräche von ihren eigenen Eltern, dabei hat sie lediglich ihre Beobachtungen mit ihrer erzählerischen Parallelwelt verschmolzen. Als sie den Text in Schweinfurt las und einige Verwandte im Publikum saßen, wurden sie durch eben diese Erzählperspektive irritiert, die Details der Geschichte passten nicht zur ihren Erinnerungen an die Eltern der Autorin.

Alle drei Texte überzeugten das Publikum, ihre eigenwilligen Formulierungen und ihre klare Sprache wurden gelobt. Leider konnte ein Erzählband an diesem Abend noch nicht erworben werden, Ulrike Schäfer wird ihn erst im Spätsommer bei Klöpfer & Meyer herausbringen.

Die Autorin betreibt eine schön gestaltete Web-Seite, auf der die dritte Geschichte abrufbar ist.

 

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