Elsternest

Carolin Emcke versucht den Hass zu ergründen und schreibt gegen ihn an

Carolin Emcke im Gespräch mit Insa Wilke
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Carolin Emcke ist ein gern gesehener Gast im Literaturhaus Stuttgart. Es ist ihr dritter Besuch im Haus der Literatur. Die Moderatorin Insa Wilke gratuliert Carolin Emcke noch einmal herzlich zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das zahlreiche Publikum spendet großen Beifall. Insa Wilke hebt die Bedeutung des Friedenspreises hervor, gerade heute, am 9. November, der für Pogrom und Mauerfall steht. Und: An diesem Tag haben wir von der Wahl Donald Trumps ins Weiße Haus gehört. Dieser US-amerikanische Populist hat mit Ausgrenzung und Hassbotschaften eine Mehrheit hinter sich bringen können.

Die AfD setzt zum Sprung in den Bundestag an, mit Ressentiments und Fremdenhass. In Landesparlamenten hat sie längst mit ihren Abgeordneten Platz genommen.

Carolin Emcke hat ein wichtiges Buch vorgelegt

Da ist Carolin Emckes Buch „Gegen den Hass“ eine wertvolle Lektüre. Die ehemalige Kriegsreporterin wollte ein Buch schreiben, das dieses Phänomen beschreibt und klar benennt ohne dass sie sich selber aus dem Spiel nimmt.

Mit ihrem Lektor Peter Sillem vom S. Fischer Verlag hat sie viele Gespräche geführt, hat gerätselt, was und warum sich um uns herum politisch und in der Öffentlichkeit so viel verändert. Hat den Zustand der zunehmenden Verrohung (nicht nur der Sprache) in den Blick genommen.

Ausgrenzung hat uralte Wurzeln

Schon als Journalistin hat sie auf ihre Artikel abwertende Leserbriefe bekommen. Oft anonym, mit der Maschine geschrieben. Heute schreiben die Leute ihre Hassbotschaften mit Klarnamen. Das sei eine neue Qualität. Es wird nicht mehr in der Anonymität gehasst, sondern öffentlich. Für die Philosophin und Autorin ist Schreiben eine Form der Reflexion aber  trotz intensiven Nachdenkens hat sie bis heute keine schlüssige Theorie entwickeln könne, woher der Hass kommt. Doch während sie  auf der Suche nach einer Antwort auf das Phänomen ist, läuft die Zeit davon, gegen den Hass etwas zu unternehmen, merkt sie selbstkritisch an..

Hass ist von Angst grundverschieden. Hass braucht ein Objekt und hat vor diesem keine Angst. Hass sucht die Nähe zum Objekt des Hasses. Angst sucht die Distanz, zeichnet sich durch Flucht, auch Ekel aus. Der Hass wird systematisch vorbereitet, wird geformt, so ihre These. Nicht in erster Linie auf der Straße sondern auf Foren im Internet, in sozialen Netzwerken, durch einschlägige rechte Lieder etc.

Die Beispiele der Ausgrenzung sind willkürlich. Carolin Emcke greift auf einen alttestamentarischen Text zurück. Im Buch der Richter wird beschrieben, wie Menschen ausgegrenzt werden, die das Wort „Shibbolet“ nicht richtig betont aussprechen. Nur durch eine andere Sprechweise werden Menschen stigmatisiert und in Folge getötet. (Siehe hier Buch der Richter 12. 5,6)

Gefühle sind keine Argumente

Ungefilterte Gefühle der „besorgten“ Bürger sollen wir ernst nehmen, sie als Pack zu beschimpfen ändert nichts. Jedoch sind ihre Handlungen und Sprechweisen als Personen zu verurteilen, wenn sie sich „hassend“ in der Öffentlichkeit zeigen. Dabei sollten Gefühle nicht als Argument dienen. Das Gefühl „wir schaffen das nicht“ ist angesichts der Tatsachen und Umstände völlig „irre“ und zeugt von Selbstmitleid, aus der Brutalität erwachsen kann.
Carolin Emcke appelliert an gegenseitige Milde und dass wir uns in der Auseinandersetzung Zeit nehmen müssen.

Ein Wort zu Donald Trump

Zum Schluss des Abends kommt der Wahlsieg von Donald Trump zur Sprache. Sein Wahlkampf war geprägt von Hass und Verunglimpfung. Carolin Emcke war viel weniger überrascht, dass er die Wahl gewonnen hat, ganz anders als beim Referendum zum Brexit. Sie hätte sich nicht vorgestellt, dass die Briten für den Austritt stimmen würden. Dass Donald Trump zum Präsidenten gewählt würde, hat sie als reale Möglichkeit gesehen. Erstaunt sei sie von seiner allersten Rede, in der er die ausgrenzende Rhetorik nicht verwendet hätte. Sie sei sehr gespannt, wie dieser Mann das Amt ausfüllen wird, der Schwierigkeiten hat, sich länger als zwei Minuten auf ein Thema zu fokussieren.

Gegen den Hass
240 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
S. Fischer, Preis 20,00 €

Zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

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