Elsternest

Abbas Khider erhält Chamisso Preis 2017

Abbas Khider im Gespräch mit Hajo Steinert
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Den diesjährigen Albert-von-Chamisso-Preis hat der aus dem Irak stammende 44jährige Autor Abbas Khider erhalten. Der Chamisso-Preis wird seit 33 Jahren jährlich an Autoren vergeben, die auf Deutsch publizieren aber deren Muttersprache eine andere ist. Die Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung, Uta-Micalea Düring, erläuterte in ihrer Begrüßungsrede zur „Lesung im Park“ am 11. Juli 2017, warum die Robert Bosch Stiftung sich entschlossen hat, den mit 15.000 € dotierten Preis nicht weiter zu vergeben und dieses Förderprogramm einzustellen. Es hat sich gezeigt, Autoren, die sich nur durch ihre Muttersprache von den deutschsprachigen Jungautoren unterscheiden, haben ihren Platz in der Literaturszene gefunden, sammeln genauso Preise wie die, deren Muttersprache Deutsch ist. Eine besondere Förderung sei nicht mehr von Nöten. Aber das Ende des Chamisso-Preises bedeutet nicht das Ende der Literaturförderung der Robert Bosch Stiftung. Die hätte sich in Richtung Schule verschoben.

Abbas Khider erzählt aus seiner Jugend im Irak

Abbas Khider erzählt im Gespräch mit Hajo Steinert von seiner Jugend. Er, der Sohn eines Dattelhändlers ist mit 8 Geschwistern aufgewachsen. Die einzigen Lektüren in seinem Elternhaus waren der Koran und der Jahresbericht der Regierung, der an alle Haushalte regelmäßig verteilt wurde. Im Irak seiner Jugend erfreuten sich zwei Bücher einer hohen Beliebtheit: ein Buch zu schwarzer Magie und Mein Kampf von Adolf Hitler.

Trotz der Erfahrung von Kerkerhaft, Abbas Khider kam als Jugendlicher ins Gefängnis und konnte den Irak mit 23 Jahren verlassen, hat er sich eine jugendliche Fröhlichkeit und große Leichtigkeit beim Erzählen erhalten. Seine Hände sind ständig in Bewegung, auch wenn er liest.

Die Hände erzählen auch die Geschichte

Im ersten Teil seiner Lesung trägt Abbas Khider einige Passagen aus seinem zweiten, 2011 erschienenen Roman, Die Orangen des Präsidenten, vor. Darin beschreibt er die Fähigkeiten des Menschen, sich noch unter den schwierigsten Bedingungen (dem sich gegenseitig zugefügten Leid) seinen Humor zu bewahren. Der Protagonist seines Romans begegnet seinen Folterern im Gefängnis mit seinem „Trauerlachen“, ein lautes, unbändiges Lachen, mit dem der Erzähler seine Peiniger entwaffnet.

Mit Lachen dem Schmerz und der Angst begegnen

„Das Lachen machte mich unempfindlich gegenüber dem Schmerz, gegenüber der Angst und gegenüber der Verzweiflung“, lässt Abbas Khider seinen Helden räsonieren.

2003 kehrte Abbas Khider zeitgleich mit den Amerikanern in den Irak zurück. Aber er, der nun Dreißigjährige, stellte nach kurzer Zeit fest: „Ich bin ein Mann ohne Freunde“. Und so fällt seine Antwort auf die Frage von Hajo Steinert, wo seine Heimat sei, erwartungsgemäß aus: Berlin. Hier hat er seinen Lebensmittelpunkt gefunden. Hier fühlt er sich zu Hause. Er, der im Irak geborene mit deutschem Pass.

Gewaltkultur muss gewandelt werden

Wenn er heute auf die aktuellen politischen Ereignisse in deiner ehemaligen Heimat schaut, so kann er keinen großen Unterschied zwischen den Kriegsparteien ausmachen. Die Gräueltaten von ISIS in Mossul stünden denen der Regierungstruppen in nichts nach. Wenn man etwas ändern will, so sein leidenschaftliches Plädoyer, so muss man gegen die „Gewaltkultur“ etwas unternehmen. Dass dieser Kulturwandel gesamtgesellschaftlich sein müsste, macht er an einem Beispiel deutlich: Als er seine Mutter in Bagdad besuchte, wollte er ihr Blumen schenken. In ganz Bagdad konnte er keine frischen Blumen auftreiben und musste sich mit Plastikblumen zufrieden geben. Was, so Abbas, kann aus einer Plastikblumenkultur erwachsen?

„Nix ich will hören“

Im zweiten Teil seiner Lesung knüpft Abbas Khider an die Folgen der Anschläge des 11. September an. Ohrfeige gibt einem zu uns Geflüchteten den sprachlichen Raum, seine ganze Wut über die Behördenwillkür auszudrücken. Hajo Steinert weist darauf hin, welchen Unterschied es macht das Adjektiv im Titel diese 2016 erschienenen Romans weg zu lassen.

Seine Hauptfigur Karim fesselt die Sachberarbeiterin in der Ausländerbehörde an ihren Schreibtischstuhl und beginnt die mit Klebeband stumm gemachte Frau mit seiner Geschichte zu konfrontieren. Die hat wenig mit den Fragen zu tun, die die Ausländerbehörde ihm bislang gestellt hat: „Nix ich will hören“, befiehlt er der Frau. Endlich will er selber sprechen, frei sprechen, nicht nur auf Fragen antworten. Das die Ohrfeige nicht real sondern Teil eines Tagtraums, einer Rachephantasie ist, der sich der irakische Flüchtling Karim hingibt, nimmt ihr nichts von ihrer Wucht.

Lesung und Gespräch fanden dieses Jahr nicht nur zum letzten Mal statt, sondern sind aufgrund der heftigen Schauer im Laufe des Tages vom Park in einen großen Saal verlegt worden. Hier kamen die Jazzklänge des Trios DEUCE gut zur Geltung. Der anschließende Empfang mit Wein und Hors d’Œvres wurden ins Freie verlegt. Dort konnten sich die Besucher in lockerer Runde über diesen Abend austauschen. Auf die Frage von Hajo Steinert an Abbas Khider, ob er nicht auch ein Glas Wein wolle, antwortete dieser, er wolle im Hotel noch schreiben und bräuchte dafür einen klaren Kopf. Wir dürfen auf sein nächstes Buch gespannt sein.

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