Elsternest

100 Jahre Beginn 1. Weltkrieg – und kein bisschen weise

Ein Chor, der seinem Dirigenten die Gefolgschaft versagt. Keine nationalverherrlichenden Lieder!
Ein Chor, der seinem Dirigenten die Gefolgschaft versagt. Keine nationalverherrlichenden Lieder!

 

Hochrangige Politiker aus der Bundesrepublik reden wieder von der Verantwortung und vom militärischen Engagement.

  • Bundespräsident Joachim Gauck erklärte anlässlich der Eröffnung der 50. „Sicherheitskonferenz“ in München im Januar 2014:
    „Deutschland drückt sich in sicherheitspolitischen Fragen nicht vor der Verantwortung. Aber es muss auch bereit sein, jetzt international mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihm über Jahrzehnte von andern gewährt worden ist. Das Land ist tief verwoben in die internationale Gemeinschaft und profitiert sehr von der offenen Ordnung der Welt. Deshalb ist es auch seine Pflicht, sich gegen etwaige Störungen dieser Ordnung zu engagieren.“
  • Unsere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte mit Blick auf Afrika:
    „Die Bundeswehr muss sich mit mehr Militäreinsätzen in Afrika engagieren!“
  • Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier reklamierte ebenfalls eine aktive Rolle:
    „Deutschland ist zu groß und mächtig, um Außenpolitik nur zu kommentieren.“
  • UNO-Generalsäkretär Ban Ki Moon stößt ins gleiche Horn:
    „Ich fordere die BRD auf, sich international mehr für den Frieden zu engagieren.“

Diese Zitate läuteten einen Diskussionsabend im Haus der Katholischen Kirche ein, der einen Bogen vom Ausbruch des 1. Weltkrieges, über die Kriegstraumata, über die Vernichtung von Chemiewaffen bis zu den Waffenexporten der Bundesrepublik heute schlug. Der Veranstalter, das Stuttgarter Netzwerk “100 Jahre Erster Weltkrieg. Die Waffen nieder! Jetzt!”, hatte dazu kompetente Referenten eingeladen. Unter Leitung des Journalisten Eggert Blum diskutierten sie die verschiedenen Aspekte der modernen militärischen Konflikte. Am Anfang stand ein Impulsreferat des Autors und Experten für Militär- und Sicherheitspolitik Detlef Bald. Er gab einen historischen Ausblick auf die Ereignisse vor 100 Jahren und setzte sich kritisch mit der derzeitigen Rezeption dieser Ereignisse auseinander.

v.l.r.: Jan van Aken, Jürgen Grässlin, Susanne Grabenhorst, Eggert Blum
v.l.r.: Jan van Aken, Jürgen Grässlin, Susanne Grabenhorst, Eggert Blum

Susanne Grabenhorst, Ärztin und  Vorsitzende der deutschen Sektion des IPPNW (Internationale Vereinigung von Ärzten gegen den Atomkrieg), erläuterte die posttraumatischen Belastungen, die Soldaten in den Kriegen erleiden. Immer wieder kommt es zu Blutbädern, angerichtet von traumatisierten Soldaten.

Zum ersten Mal wurde im ersten Weltkrieg ein Krieg in seiner ganzen Totalität geführt: aus der Luft, mit Panzern und fürchterlichen Massenvernichtungswaffen wie Senfgas. Bei diesem Krieg verloren 17 Millionen Menschen ihr Leben. Jürgen Grässlin, Autor und Bundessprecher der DFG-VK belegte seine These, dass die Waffen der schwäbischen Fabrik Heckler & Koch die heutigen Massenvernichtungswaffen sind: Kleinwaffen töten weltweit. Aufgrund jahrzehntelanger Direktexporte und Lizenzvergaben sind bis heute ca.15 Millionen Schnellfeuergewehre der Firma Heckler & Koch  in nahezu allen Kriegen und Bürgerkriegen im Einsatz. Schätzungsweise wurden durch Kugeln aus den Waffen dieser Firma 2 Millionen Menschen getötet. Kleinwaffen sind quantitativ Massenvernichtungswaffen. Einer der Gründe, warum Jürgen Grässlin die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ ins Leben rief.

Jan van Aken, Mitglied des Bundestages von der Fraktion „Die Linke“, war jahrelang für die UNO als Waffen-Inspekteur tätig und erläuterte eindrucksvoll, warum seine Partei eine Beteiligung an Militäreinsätzen kategorisch ablehnt und sich für die Auflösung der Bundeswehr in ihrer jetzigen Form einsetzt. Sein konstruktiver Vorschlag für die Transformation der Bundeswehrhochschulen: sie sollen Bildungsstätte für Konfliktmanagement und ziviler Konfliktlösungsmethoden werden.

Scharf kritisierte Jürgen Grässlin die grün-rote Landesregierung, die, entgegen ihren ursprünglichen Aussagen, bis heute die Aktivitäten der Bundeswehr an den Schulen gestattet und den Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr immer noch nicht gekündigt hat.

Untermalt wurde der Abend durch den Chor „Avanti Comuna Kanti“, der gelungene Interpretationen von Liedern aus dem ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik darbot.

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